«Geschichtsträchtiger Tag an geschichtsträchtigem Ort»: Auf dem ehemaligen Thurella-Areal in Egnach beginnt ein neues Zeitalter
Es geht los mit den Bauarbeiten für eine neue Überbauung mit über 150 Wohnungen auf dem ehemaligen Thurella-Areal in Egnach. Einiges ist anders als ursprünglich geplant.
Markus Schoch, 10.12.2023
Mit freundlicher Genehmigung der Thurgauer Zeitung
Wo zuerst eine Genossenschaft und später die Thurella AG über 100 Jahre lang Obst vermostete, entsteht ein neues Quartier, wo Menschen wohnen, arbeiten, sich vergnügen und den Lebensabend verbringen können. Die Arbeiten für die erste Etappe der Überbauung «Perron Vert» direkt am Bahnhof von Egnach haben vor kurzem begonnen. Von einem «geschichtsträchtigen Tag an einem geschichtsträchtigen Ort» sprach Gemeindepräsident Emil Müller beim Spatenstich. Nach ersten Abklärungen im Jahr 2010 zur Entwicklung des einstigen Betriebsgeländes gehe es jetzt endlich los.
Gegenüber den ursprünglichen Plänen hat sich einiges verändert, was vor allem mit der Tertianum-Gruppe zu tun hat, die im Egnacher Weiler Buch seit vielen Jahren das Wohn- und Pflegezentrum Seerose betreibt. Der Mietvertrag dort läuft aus. Die Verantwortlichen des Heimes haben entschieden, ihn nicht zu verlängern und stattdessen Räumlichkeiten für 70 Betten im «Perron Vert» zu beziehen, darunter 17 Alterswohnungen. Die Betriebsaufnahme am neuen Ort ist für 2027 geplant.
Stiftung Abendrot hat grosse Teile des Areals erworben
Als Investor bei Projektentwicklerin Mettler2Invest eingestiegen ist die Stiftung Abendrot mit Sitz in Basel, die nach eigenen Angaben zu den grössten Pensionskassen der Schweiz gehört und für die Nachhaltigkeit in allen Belangen ein zentraler Wert ist. Vorzeigeprojekt ist das Sulzer-Areal in Winterthur, an dessen Entwicklung die Stiftung seit über zehn Jahren massgeblich beteiligt ist. Ihre Erfahrungen dort sollen jetzt auch in Egnach einfliessen. Die Stiftung hat grosse Teile des einstigen Thurella-Betriebsgeländes (gegen 14’000 Quadratmeter) gekauft, darunter das ehemalige Mostereigebäude, das Restaurant Sternen und das Bürogebäude an der Bucherstrasse.
Im Mostereigebäude mit seiner ortsbildprägenden Backsteinfassade soll es 16 Mietwohnungen geben, unter anderem in fünf Reihenhäusern im zweigeschossigen Anbau. Wie das Erdgeschoss des Hauptgebäudes genutzt wird, ist offen. Denkbar sei ein Gastrobetrieb, heisst es vonseiten der Stiftung Abendrot. Für den teilweise geschützten «Sternen» daneben bräuchte es in einem solchen Fall ein neues Nutzungskonzept. In Stein gemeisselt sei noch nichts, sagen die neuen Besitzer. Die Bänziger Lutze Architektur AG in Berneck ist mit der (Ausführungs-)Planung und dem Baumanagement für die beiden historischen Liegenschaften beauftragt. Deren Umnutzung ist Teil der ersten Bauetappe, die im zweiten Quartal 2026 abgeschlossen sein soll.
Siedlungsverein soll Zusammenhalt stärken
Auf ihren anderen Grundstücken auf dem weitläufigen Gelände wird die Stiftung Abendrot dereinst in vier Neubauten weitere 105 Wohnungen vermieten – mit Start voraussichtlich im Herbst 2025. Teil der Siedlung werden auch zwei Neubauten mit 33 Eigentumswohnungen sein, um deren Vermarktung sich die Mettler2Invest bereits kümmert. Ursprünglich sollten es 80 Stockwerkeigentum-Einheiten sein. Dazu kommen Büro- und Gewerbeflächen.
Den Zusammenhalt im Quartier stärken soll ein Siedlungsverein, der zunächst über einen Gemeinschaftsraum, ein Gästezimmer und mehrere grosszügige Flächen im Aussenbereich verfügen können wird. «Ziel ist es, die Kommunikation und Vernetzung zu fördern und ein Angebot für die Bewohnerinnen und Bewohner zu schaffen, das Leben aktiv mitgestalten zu können», schreibt die Stiftung Abendrot in einer Mitteilung.
Ein Pionier auf der Suche nach neuen Formen des Zusammenlebens
Mit dem Aufbau des Vereins betraut ist Manuel Lehmann, der im Sulzer-Areal in Winterthur den Arealverein Lagerplatz als Interessensvertreter der Mieterinnen und Mieter ins Leben rief und in Egnach rund um den Bahnhof zusammen mit einem Verein ein Modell für das Dorf der Zukunft entwickeln will. Es gehe darum, Lösungen für alle Lebensbereiche zu finden, sagt der Zukunftsforscher und Experte in Community Building. Er lebt mittlerweile selber auf dem Thurella-Areal im ehemaligen Bürogebäude als selbst erklärter Pionier und sucht Gleichgesinnte im sogenannten «Living Lab». Dieses soll zum Treffpunkt für Personen werden, die sich für das Thema Nachhaltigkeit interessieren.
Lehmann ist auch Initiant einer sogenannten Mitmachregion im Oberthurgau. Deren Ziel ist es, Menschen zusammenzubringen, die gemeinsam vor Ort Lösungen für die drängenden ökologischen und sozialen Fragen unserer Zeit erarbeiten. Mit bestehenden Vereinen, Firmen und den Gemeinden im Oberthurgau will Lehmann im Laufe des Projektes nach Kooperationsmöglichkeiten suchen. 2024 soll eine «Mitmachkonferenz» stattfinden, zu der Gemeinden, Vereine, Firmen und Privatpersonen eingeladen sind.
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